Donnerstag, 22. Februar 2018

Klassiker Challenge: Der Sandmann

Allgemeines:

 
 Titel: Der Sandmann
Verfasst: 1816 (erschienen in der Sammlung »Nachtstücke«)
Genre: Schwarzen Romantik
 

Inhalt: 

 
Der Student Nathanael, scheibt seinem Ziehbruder einen Brief, in dem er berichtet, dass ihn seit Kurzem große Unruhe plage, ausgelöst durch den Besuch eines Wetterglashändlers, in dem er eine Schreckensgestalt aus seiner Kindheit erkennt: den Sandmann. Durch eine Erzählung seiner Wartefrau wird Nathanael auf die Sagengestalt des bösen Sandmannes gebracht, der Kindern die Augen klaut, wenn sie nicht einschlafen wollen. Das bezog der junge Nathanael auf die abendlichen besuche des verhassten Advokaten Coppelius, der zusammen mit Nathanaels Vater alchemistische Experimente durchführte. Nach einem traumatischen Ereignis, bei der er misshandelt wird und ihm gedroht wird, seine Augen zu verbrennen, ist er sich sicher, dass Coppelius der böse Sandmann sein muss und trägt ein Trauma davon, als sein Vater beim letzten Besuch des "Sandmanns" ums Leben kommt.
Nun ist der Student verlobt und führt ein normales Leben, als all die Erinnerungen wieder hochkommen. Unter dem Einfluss seiner traumatischer Kindheitserinnerungen scheint er immer mehr den Bezug zur Realität zu verlieren, bis er schließlich Sein und Schein nicht mehr auseinander halten kann und in den Wahnsinn getrieben wird. Seine Freundin Clara ist der Meinung, dass Nathanael seine Fantasie zügeln muss. Mehr und mehr verstrickt sich Nathanael jedoch in eine düstere Gedankenwelt, in der der Sandmann zurückgekommen ist, um ihn zu töten...
 

Diskussion:

 
Wie bin ich mit der Sprache zurecht gekommen?
 
Die Sprache ist zwar altmodisch und recht anspruchsvoll zu lesen, da sich Hoffmann aber einprägsamer Sprachbilder bedient, kann man der Handlung sehr gut folgen. Auch die Erzählweise hat dazu beigetragen, dass ich der Handlung gut folgen konnte. Zuerst wird durch mehrere Briefe due Ausgangslage beschrieben, bis ein auktorialer Erzähler übernimmt, der einen Erlebnisbericht eines Freundes erzählt, der das Schicksal der Hauptfigur der Erzählung Nathanael gut kennt. So bekommt man einen guten Überblick über das Geschehen, die Spannung, die daraus resultiert, dass man nicht weiß, was nun real ist und was nicht, wird aber trotzdem aufrecht erhalten, da auch der allwissende Erzähler dies nicht preisgibt. In meiner Ausgabe war zudem am Ende des Buches ein Verzeichnis aller Fremdwörter, sodass ich mir unbekannte Ausdrücke gleich nachschlagen konnte.
 


Wie finde ich die Konstruktion der Handlung (Spannung, Charaktere, Twists...)?
 
 Die Handlung ist grundsätzlich sehr interessant konstruiert - seltsam zwar und sehr undurchsichtig, jedoch mit vielen interessanten Wendungen, Entwicklungen und einem offenen Ende. Neben den vielen immer wiederkehrenden Motiven, wie zum Beispiel das Augenmotiv oder das Feuermotiv, die mir aufgefallen sind, fand ich vor allem die Charaktere sehr spannend. Clara, die "Klare", "Helle", die die Vernunft verkörpert und somit der unliebsame Gegenpart zu Nathanaels Spinnereien ist, wird in Nathanaels Herzen durch die lebensgroße Holzpuppe Olimpia verdrängt, in der er mehr Leben sieht, als in Clara. Das hat eine gewisse Ironie und zeigt, wie sehr seine Wahrnehmung durch seine traumatischen Erfahrungen und seine daraus resultierende Paranoia verfälscht wird. Coppola und Coppelius, von denen wir bis zum Ende nicht sagen können, ob sie ein und dieselbe Person sind, verkörpern hier den "Sandmann", das "Böse" in Nathanaels Fantasie. Mir gefällt es an der Konzeption sehr gut, dass man sehr viele unterschiedliche Interpretationsansätze aus der Geschichte ziehen und sie von ganz verschiedenen Seiten betrachten kann.
 
 
Ist das Thema des Romans noch zeitgemäß? Inwiefern lässt es sich auf die heutige Zeit beziehen?
 
Hoffmann thematisiert den Konflikt zwischen Vernunft und Phantasie, was eine fundamentale Streitfrage der damaligen Epoche widerspiegelt. Die aufgeklärte Rationalität Claras steht dem gefühlsbetonten, desorientierten Wesen Nathanaels gegenüber, der damit wichtige Motive der Romantik verkörpert. Ganz so zeitgemäß ist das Thema nicht mehr, da in unserer Gesellschaft vor allem die Vernunft herrscht und Nathanael auf den Leser in erster Linie verrückt wirkt. Die Vermischung zwischen Realität und Traum; Wirklichkeit und Wahn, die durch das immer wiederkehrende Motiv der Augen dargestellt wird, zeichnet das Bild einer verwirrten Person inmitten seltsamer Ereignisse, die völlig unverstanden von seiner spießbürgerlichen-Umgebung, den Verstand verliert und - teils Opfer seiner Selbst, teils Opfer der Wirklichkeit - einen tragischen Tod findet. Auch heutzutage gibt es viele tragische Fälle, in denen Menschen sich nicht verstanden fühlen, eine ganz andere Wahrnehmung besitzen, als ihre Umwelt - teilweise auch durch Krankheiten und Traumata verursacht - und so in den Ruin getrieben werden. Auch mit der Puppe Olimpia hat Hoffmann schon ein Thema angeschnitten, das durch technische Errungenschaften wie Gentechnik erst in der heutigen Zeit richtig aufgekommen ist. Die Frage, inwiefern Klone oder Robotermenschen Teil der Gesellschaft werden können.
 
 

Gesamteindruck: Ein Klassiker und must-read?

 
Das so bekannte "Sandmännchen" wird hier das Grundmotiv einer Gruselgeschichte, die auf interessante Weise den Zwiespalt zwischen Romantik und Aufklärung zeigt. Ich fand es super spannend, die Geschichte näher zu betrachten und kann ganz klar sagen, dass sie gerade aufgrund der vielen Deutungsmöglichkeiten leicht zu verstehen ist.


 

Was haltet ihr davon?

Jetzt wollen wir natürlich wissen, was ihr von dieser Geschichte haltet.

Kennt ihr sie in einer filmischen Form, habt ihr das Werk gelesen und wenn nicht, würdet ihr euch nach diesem kurzen Meinungsbild heranwagen?
 
Wir würden uns freuen, wenn ihr durch uns die Motivation findet, auch mal einen Klassiker zu lesen und ihn auf euch wirken zu lassen.
Falls ihr also Lust bekommen habt, ganz unverbindlich bei dieser Challenge mitzumachen, lasst einen Kommentar da und ihr seid dabei.
Hoffentlich ergibt sich viel Diskussionsbedarf :-)

Liebe Grüße
Sophia

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